Kleinere und größere Nebenverdienste

Als Seemann war man eigentlich ständig darum  bemüht, die karge Heuer durch kleinere oder größere Geschäfte aufzubessern. Bei größeren Schmuggelgeschäften  waren fast immer neben den Stewards, der Zahlmeister (Funker) und das Kombüsenpersonal beteiligt. Wobei so manches krumme Geschäft „monkeybusiness“ mit dem Wissen oder dem Zutun der Schiffsleitung über die Bühne gegangen sein sollte. Böse Zungen behaupten noch heute, dass so manches Eigenheim und ganze Stadtteile Bremens nur mit Hilfe der Gelder aus Schmuggelgeschäften erbaut werden konnten. Doch so ganz frei von dem Reiz des Verbotenen konnte sich an Bord keiner machen. Wobei es sich häufig um kleine und im Grunde harmlose Tauschgeschäfte handelte. In den Häfen Zentral –und Südamerikas wurde mit Hingabe der begehrte Nescafe in Dosen gegen den an Bord zollfreien Alkohol oder gegen Zigaretten eingetauscht. Direkte Zahlungen in Landeswährung waren eher selten, weil die galoppierende Inflation einem unter Umständen ganze Bündel von wertlosen Pesoscheinen einbrachte. So geschehen in Valparaiso, zu Zeiten Allendes. Unsere Matrosen hatten sich ihre Schmuggelware dummerweise in chilenischen Peso, die nicht ausgeführt werden durften, auszahlen lassen, und selbst in den Hafenkneipen wurde dieses Spielgeld nicht angenommen. Einer der ungewollten Peso-Millionäre kam dann auf die glorreiche Idee, per Taxi in die Hauptstadt Santiago de Chile zu fahren, um das Schwarzgeld in der staatlichen Spielbank zu verzocken. Trotz riskanter Spielweise und schwindelerregender Einsätze, wurden die Geldpakete nicht merklich dünner. Sämtliche Glücksfeen schienen sich an diesem Abend gegen sie verschworen zu haben. Selbst die großzügigen Trinkgelder an die Croupiers konnten es nicht verhindern, das um eine Unsumme angeschwollene Vermögen, auf der Heimfahrt in einer Plastiktüte zu verstauen. Die Lästereien und Frotzeleien an Bord brachten es dann mit sich, dass unsere Spieler über den Verbleib des Geldes beharrlich schwiegen.

Den Schmuggel im großen Stil habe ich gleich auf einer meiner ersten Reisen in Richtung Südamerika als. stiller Beobachter miterlebt. Verwunderlich war es im ersten Moment schon, dass wir in Las Palmas/Gran Canaria auf unserem Weg nach Brasilien Treibstoffvorräte ergänzen mussten. Zumal es ein offenes Geheimnis war, dass die Qualität des angebotenen Schweröls miserabel war. Spätestens bei den unerwarteten Ladungstätigkeiten auf nächtlicher Reede wurde mir klar, dass der Treibstoffpreis auch nicht der Grund für diesen Bunkerstopp gewesen sein konnte. Trotz aller Vorsicht und abgedunkelter Decksbeleuchtung beobachteten wir, wie Palette um Palette amerikanische Zigaretten im Zwischendeck einer unserer Ladeluken verschwand. Nach einer knappen halben Stunde war der Spuk vorüber. Im Verlauf dieser „Traumreise via Magellan Straße“ um Südamerika, wurde dieser seltsame Zigarettenvorrat von Hafen zu Hafen immer kleiner. In Callao/Peru verschwand die letzte Palette Marlboro im Bauch eines Behördenbootes. Der Decksbesatzung blieb natürlich verborgen, wer den schwungvollen Handel inszeniert hatte. Geärgert hat uns eigentlich auch nur, dass man uns bei unseren kleinen Tauschgeschäften „ Zigaretten-Nescafe“ seitens der Schiffsleitung auch noch Vorhaltungen machte.

Kleinere und größere Geschäfte konnte man natürlich auch in den fernöstlichen Fahrtgebieten machen, wobei Alkohol und Zigaretten eine eher untergeordnete Rolle spielten. Häufig schreckten einen auch die drakonischen Strafen einiger Länder ab. In Saudi Arabien konnten schon leere Bierflaschen oder Kronkorken im Papierkorb Anlass für empfindliche Strafen sein. Die Zollfahndung , wegen der dunklen Uniformen weltweit als „schwarze Gang“ betitelt, schreckte in Jeddah auch nicht vor Verhaftungen zurück. So musste im fernen Hamburg die Reederei tätig werden, weil man bei unserm Chief-Ingenieur unter der Deckenverkleidung seines Salons eine halbe Flasche Alkohol gefunden hatte. Seinen Schwüren und Versicherungen schenkten die saudischen Behörden keinen Glauben. Erst die Zahlung von rund 40 Tausend DM ersparte ihm einen längeren Gefängnisaufenthalt.

Wobei einige Saudis durchaus nicht abgeneigt waren, das eine oder andere kühle Bier zu trinken. Ich erinnere mich gut an einen Lotsen, der unseren Kapitän mit der Forderung nach einer Flasche Becks in arge Bedrängnis brachte. Es war dann aber doch keine Falle, im Schutz der Dunkelheit leerte er die Flasche in einem Zug.

Ab und zu konnte man selbst mit simpelsten Dingen Geschäfte machen. Fischer der nördlichen Malediven und im Golf von Thailand nahmen für die schmackhaften Barrakudas leere Plastikkanister oder auch ein paar Liter Dieselöl entgegen. In Hongkong wurden auf Reede liegende Frachtschiffe bei Lade- oder Löscharbeiten  von kleinen Ruderbooten umkreist, die von ausgesprochen hübschen Mädels bewegt wurden. Letztere hatten ein ausgesprochen gutes Gespür dafür, wann der Bootsmann des Schiffes nicht in der Nähe war. Der Ruf „Honey, give me wood(a)“ klingt mir noch heute in den Ohren. Nur zu gern sind wir ihrem Wunsch nach langen Stauholzbrettern nachgekommen. Der eine oder andere Kubikmeter Holz wanderte so heimlich über die Kante. Als Lohn winkte ein aus Kistenholz gefertigtes Model einer Dschunke. Eines dieser Erinnerungsstücke hat noch heute einen Ehrenplatz in unserem Arbeitszimmer.

Besatzungsmitglieder, mit einem guten Riecher für krumme Geschäfte, hatten schnell heraus, dass in der Ostasienfahrt so mancher Dollar zu verdienen war. So waren die ersten Filme und Heftchen aus der Pornobranche über Monate der absolute Renner in den Häfen Malaysias, Thailands, der Philippinen und Koreas. Neben dem Schiffshändler in Rotterdam hat sich auch so manches Besatzungsmitglied eine goldene Nase verdient. Ich selber habe nur noch den Abgesang dieses Booms erlebt. Die satten Gewinne hatten zur Folge, dass einige Zeitgenossen in ihrer Gier jede Vorsicht außer Acht ließen. Beim Einkauf in Holland wurde selbst telegraphisch Geld aus der Heimat angefordert. So konnte es nicht ausbleiben, dass die Zollbehörden auf dieses Treiben aufmerksam wurden und ihre Erkenntnisse an die Kollegen im Ausland weitergaben. Letzteres hatte wiederum zur Folge, dass wir in jedem angelaufenen Hafen Ostasiens von der Zollfahndung heimgesucht wurden. Beim Einlaufen wurden wir häufig von Zollbooten zu unserm Liegeplatz eskortiert. Nach dem ersten Fund hunderter Pornofilmchen im Proviantkühlraum wurden unsere Großhändler an Bord zusehends unruhiger. Besonders peinlich, wenn die Besitzer, wie bei diesem ersten Großfund, auch noch ermittelt werden konnten. Der Koch und der Bäcker mussten neben einer saftigen Strafe auch noch den Verlust ihrer Handelsware beklagen. Dank unseres Funkers sprach sich die Geschichte natürlich als Küstenklatsch schnell bei der übrigen Flotte herum. Neben den Schaden hatten wir auch noch den Spott der Kollegen zu ertragen. MS „Pornostein“, alle Schiffsnamen  des Norddeutschen Lloyds endeten auf „…stein“, wurde zum geflügelten Wort. Nach dem ersten großen Fund wurden wir von Hafen zu Hafen und Zollbehörde zu Zollbehörde durchgereicht. Die Suche nach der Schmuggelware intensivierte sich. Den absoluten Höhepunkt gab es dann auf der Heimreise in Bangkok. Das Maschinenpersonal wurde mit Landgangsverbot belegt, als die schwarze Gang  im Tagesöltank der Maschine tausende von Filmchen fand. Die Herkunft ließ sich trotz verschärfter Verhöre nicht ermitteln. So musste denn die Reederei die fällige Strafe zahlen. Merkwürdig blass waren unser Obersteward und der Elektriker, die in Rotterdam noch telegraphisch Geld angefordert hatten.

Nur kleinere Posten Schmuggelware wurden von den Zöllnern nicht gefunden. Doch so recht glücklich hat die Besitzer dieser Umstand nicht gemacht. Rücknahmeverhandlungen mit dem Schiffshändler  in Rotterdam verliefen im Sande. Mit erheblichen Verlusten wurde Film für Film an die Schauerleute in den europäischen Häfen verscherbelt.