Nebentätigkeiten

Die schmale Heuer in der Zeit der Ausbildung versuchten wir von der Löwenback  (Decksjungen, Jungmänner und Leichtmatrosen saßen in der Mannschaftsmesse getrennt von den Matrosen, dem  Zimmermann u. dem Bootsmann an einem eigenen Tisch ) in erster Linie mit möglichst vielen Überstunden aufzubessern. Für die Anlage von anderen Geschäften reichte die Heuer ja nicht. So waren denn auf den Kombischiffen im Ostasiendienst zwei zusätzliche Verdienstmöglichkeiten heiß begehrt. Die beiden Jobs wurden vor Antritt der  Reise ganz offiziell von der Schiffsleitung vergeben. Der 1. Offizier und sein“ langer Arm „ der Bootsmann suchten unter uns Junggraden  einen Promenadendecksgast  und einen Hospitalsgast aus. In meiner fast zweijährigen Fahrenszeit auf  MS „Hessenstein“ habe ich beide Traumjobs für je eine Reise zugeschustert bekommen.
Als Promenadendecksgast bekam ich von der Reederei ein passendes Outfit gestellt. Die Ausstattung war wohl von der Marine entliehen. Mit weißen Shorts und weißen Matrosenjumper und passendem Schuhzeug stand man während der Hafenliegezeiten tagsüber an der Gangway – und machte ein wichtiges Gesicht. Während des Seetörns musste ich auf dem Promenadendeck ( auch Schwimmbaddeck genannt ) Liegestühle aufstellen und mit Aufliegern versehen. Wobei ich peinlichst auf die Wünsche der Fahrgäste und ersten Herren Rücksicht nehmen zu hatte. Unser Chief – Ingenieur wollte z.B. immer zwischen oder ganz in der Nähe von der holden Weiblichkeit liegen. Um so jünger – um so besser. Böse Zungen an Bord behaupteten , dass er während der Reise nicht einmal die Maschine betreten hätte bzw. den Eingang der selben gar nicht finden würde. Sonnenbäder konnte ich als Promenadendecksgast natürlich nicht nehmen. Tagsüber hatte ich mich u.a. mit dem Fußboden und den Panoramascheiben der Wandelhalle zu befassen. Am Swimmingpool fungierte ich als Bademeister.
Der Job war sehr begehrt , weil man zum Brücken – u. Wachdienst und der Arbeit an Deck nur in Notfällen herangezogen wurde. Eine Vergütung seitens der Reederei gab es natürlich nicht. Den großen Anreiz machten die oft üppigen Trinkgelder von spleenigen englischen Rundreisepassagieren  und deutschen Adligen aus. Nach oft vier Monaten Bordaufenthalt  war man großzügig – und davon wollten viele dienstbare Geister  profitieren. Untereinander gönnte man sich nicht einmal die Trauerränder unter den Fingernägeln. Meine Einnahmen sollte ich gleich mit einem Rattenschwanz von Parasiten teilen. Neben dem Bootsmann ( dem Jobvermittler ) machten noch der Purser ( Zahlmeister ), der Obersteward und der Barsteward die Hand auf. Ich habe mich nach Kräften gewehrt und die Einnahmen verschwiegen oder extrem minimiert. So war es denn auch nicht verwunderlich, dass mein Einsatz auf dem Promenadendeck nur eine schöne Reise lang währte.Zu dem Job als Hospitalsgast bin ich durch einen selbstverschuldeten Arbeitsunfall in Antwerpen gekommen. Beim Fieren der gelaschten Gangway habe ich wohl nur mit halben Ohr zugehört. Zumindest wurde meine behandschuhte Hand bis auf den kleinen Finger  durch einen auf der Reling gesetzten Bügel gerissen. Im Krankenhaus wurde der komplizierte Bruch gerichtet und eingegipst. Eigentlich wäre es das Ende meines Einsatzes auf der Hessenstein gewesen. Doch meine Bettelei hat das Herz des Schiffsarztes Dr.  Stehle erweicht – ich durfte mitfahren. Zumal der Gips in Singapore ja entfernt werden sollte. Während der laufenden Reise wurden mir, dem „Behinderten“,  vornehmlich leichte Arbeiten zugeschanzt. Meine Seewache beim 1. Offizier W. Hanuschke, davon wird auch noch zu berichten sein, konnte ich gehen. In den Häfen bin ich als Lukengast eingesetzt worden und habe den diebischen Hafenarbeitern auf die Finger geguckt und oder als Tallymann Säcke, Fässer und andere Ladung gezählt. Als zusätzliches Bonbon wurde mir der Job als Hospitalsgast angedient. Ich musste täglich zwischen ein bis zwei Stunden als Reinigungskraft im Hospital und angrenzenden Krankenraum tätig werden. Als Vergütung winkten eine Aufstockung meiner Heuer um 40 DM pro Monat. Außerdem konnte ich mich in dieser Zeit dem Zugriff des Bootsmanns entziehen. Doch dieser Traumjob  entwickelte sich während der Reise zum Albtraum schlechthin. Schuld war unser feierfreudige Bordarzt. Angeblich soll er der Meinung gewesen sein, dass seine monatlichen RP – Zuwendungen der Reederei (Gelder für Repräsentationszwecke )  Tagesgelder seien. Zumindest war er nächtlicher Dauergast in der Bordbar. Bei Toresschluß wurden dann die Party in das Hospital verlagert. Vor dem täglichen  Inspektionsgang des Kapitäns und des Zahlmeisters geriet mein Doktor dann in Panik. In Windeseile musste ich alle Spuren der nächtlichen Sause beseitigen. Er hatte immer Glück. Der Alte hat nie einen Blick in den Medikamenten-Kühlschrank  geworfen. Bei so viel Hochprozentigem wäre der liebe Doktor wohl in Erklärungsnöte gekommen. Für mich war es trotz der monatlichen Heueraufstockung kein Traumjob. So habe ich denn nach dieser Reise die Putzutensilien an den Nagel gehängt.
Der eingegipste Finger wurde übrigens in Singapore im Krankenhaus noch einmal gebrochen, weil die Knochen schief zusammengewachsen waren. So verlief der Rest der Reise trotz der Saufeskapaden unseres Bordmediziners für mich in ruhigen Gewässern.