Seemannsalltag und eine Wagenwäsche in Antwerpen

Bei längeren Hafenliegezeiten war es üblich, dass neben dem Lade – und Löschbetrieb das Schiff und seine Einrichtungen auf Vordermann gebracht wurden. Mit Rosthammer, Roststecker und Entrostungsmaschinen ging man dem Rost zu Leibe. Um anschließend die entrosteten Stellen der Decks, der Verschanzung, der Bordwand usw. mit Vorstrich – und Hauptanstrich zu versehen. Die Arbeit mit der Rostmaschine war nicht sehr beliebt, wenn sich auch bei dieser Tätigkeit (sehr zur Freude des Bootsmanns)  oft regelrechte Wettbewerbe entwickelten. Jeder wollte trotz des ohrenbetäubenden Lärms und der schmutzigen Staubwolken aus Farbresten und Rostpartikeln möglichst viel Quadratmeter bei Feierabend vorweisen. Entrosten und  anschließende Malerarbeiten waren in der konventionellen Schifffahrt neben dem Wachdienst die eigentliche Arbeit der Junggrade und Matrosen. Wobei es den Matrosen vorbehalten war die „Feinarbeiten „ zu verrichten. Endanstriche mit weißer Farbe bei Decksaufbauten z.B. war Matrosensache. Die Auszubildenden der damaligen Zeit waren neben dem Messe – u. Kammerdienst   natürlich für alle Reinigungsarbeiten zuständig. Wobei das viel besungene Deckschrubben nicht so häufig vorgekommen ist , weil nur noch wenig Decks der Schiffsaufbauten mit Beplankung  gab. Nur auf den Kombischiffen im Ostasiendienst gehörte diese Arbeit noch zum festen Ritual. Einmal pro Reise wurden die Holzdeckbeplankung zudem  kalfatert. Die Nähte zwischen den Planken mit geteerten Werg und heißem Pech abgedichtet.
Zu den weniger beliebten Tätigkeiten gehörte das Aufarbeiten von Handläufen und Mahagonitüren. Mit einem Twist ( Putzwolle ) und  einem Eimer Abbeize durfte das Jungvolk diversen Schichten von Bootslack zu Leibe rücken. Dabei soll an Bord der Hessen – oder Bayernstein einmal ein  mit  Beize gesättigter Twist wie von Zauberhand im hohen Bogen auf den nackten Hintern unseres Chiefs geflogen sein, der auf dem Peildeck mit einigen Damen das FKK – Deck eröffnet hatte. Letzteres durften wir bei Strafe nicht betreten. Das Lackieren der abgebeizten Türen , Handläufer usw .übernahm dann der Zimmermann. Eine der beliebtesten Tätigkeiten waren die fast täglich in den Morgenstunden über die Bühne gehenden“ Wasserspiele“. Dabei wurden von den Junggraden mit Schwabbern ( Schrubber mit langen weichen Haaren) , Halbmonden ( kurzstielige ,halbmondförmige Besen mit langen weichen Haaren) und scharfer Seifenlauge die Schotten und Decks vorgewaschen. Zwei Matrosen besorgten dann mit dem unter Druck stehenden Deckwaschschlauch den Rest der Arbeit Hartnäckigen Flecken rückten wir mit  kaustisch Soda oder P 3 , einem Industriereiniger, zu Leibe. Letzterer wurde auch gerne als Bleichmittel von Bluejeans und zur Sockenwäsche verwandt. Ein böses Erwachen gab es, wenn man seine Wäsche in der Pütz ( Eimer ) vergaß. Der Jeansstoff wurde schwammig und die Kunstfasersocken hatten sich aufgelöst.“ Hein Seemann „ ist in Sachen Improvisation und Erfindungsgabe kaum schlagbar. Aufgeschlagene Patronen der damals noch verwendeten Atemschutzgeräte ( Rund – Umluft – Geräte ) mit ihren ätzenden  Inhalt bewirkten geradezu  blaue Wunder bei der Entfärbung der Jeans. Natürlich sprach sich auch bei den Landbediensteten unserer Weltfirma  die Vielseitigkeit einer Schiffsbesatzung herum. Erstes Opfer wurde fast immer der Schiffszimmermann. In seiner Werkstatt unter der Back entstanden im Auftrag von Kapitänen, Schiffsagenten und anderen VIP`s  während einer viermonatigen Ostasienreise ganze Wohnungseinrichtungen. Von den Einkaufsaufträgen an die Besatzung ganz zu schweigen. Ich werde davon noch berichten. Selbst  die Arbeitskraft von Junggraden wurde häufig schamlos ausgenutzt. Gut erinnere ich mich an den“ Löwen von Flandern“. Der Spitzname verdankte dieser Agent in Antwerpen wahrscheinlich seiner wallenden Mähne. Ohne Frage war er bei den belgischen Hafenarbeitern und  an Bord  der Lloyd – Schiffe gleichermaßen verhasst. Als Junggrade der Hessenstein hatten wir die Ehre während eines  Aufenthalts an der berühmten Scheldekai  seine schwarze Limousine  gründlich zu waschen und zu polieren. Eine Strafarbeit bei Traumwetter – und schräg gegenüber lockte die berühmte Eckkneipe von Angelina mit dem sprachbegabten Ara.(  Bei fortgeschrittener Stunde wurde der Vogelkäfig abgedunkelt und in einen Nebenraum gestellt, weil er die Zoten und Ferkeleien der Seeleute ständig wiederholte) Wir haben uns also bei unserem Auftrag beeilt und den schönen Wagen gründlichst  gereinigt. Nur die Politur nach der P3 – Wäsche wollte uns perdu nicht gelingen. 

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