Mitbringsel II
Der Zauber Ostasiens hat mich ein Leben lang gefesselt. Wobei die Gründe für diese Sucht sich mit den Jahren veränderten. In meiner Sturm- und Drangzeit lockte das Nachtleben in Kneipen, Bars, Kaschemmen und Discos. So manches asiatisches Lächeln hat auch mich verzaubert. Unvergessen die Motomachi in Kobe und das angrenzende Nachtjackenviertel. In Yokohama war es das Peanuts, welches nach Feierabend angesteuert wurde. So hatte jeder Hafen für Hein Seemann seine Anziehungspunkte. Wenig Zeit also für Land und Leute. Entsprechend phantasielos fielen demzufolge auch die Mitbringsel aus. Gedankenlos kaufte man eben die Dinge ein, die schon Generationen von Seeleuten vorher aus diesen Ländern mitgebracht hatten. In Japan wurden der Seidenkimono und das Teeservice mit Geishakopf erstanden. Auf den Philippinen die obligatorische Flasche Tanduay – Rum, geschnitzte Masken, kakelbunte Gemälde und die aus einer Kokosnuss geschnitzte Affenspardose. In Hongkong gefälschte Markenklamotten und echter Schmuck. Diese Aufzählung ließe sich ohne Schwierigkeiten auf andere Länder und Häfen erweitern und damit die Palette der üblichen Souvenirs.
Äußerst bequem war es zudem, dass die Händler an Bord kamen. Die völlig überhöhten Preise nahm man dabei billigend in Kauf. Der Großteil der Seeleute hat sich von diesen Gewohnheiten nie verabschiedet. Auch ich habe mich erst nach Jahren von diesem Einkaufstrott lösen können, um mich dann mit Enthusiasmus der Jagd nach dem besonderen Andenken zu widmen. Denkanstöße von Landratten waren oft sehr hilfreich. Noch besser war es natürlich, wenn man an Bord auf Gleichgesinnte stieß. Mit meinen alten Freunden Peter Saß und Georg (Schorsch) Inatowitz habe ich so manchen erfolgreichen Beutezug bestritten. So wurden Peter und ich z.B. mittels eines Fotos auf eine Fährte angesetzt. Das Bild stammte von einer Mitarbeiterin der Frauenzeitschrift Brigitte. Sie erklärte uns dann auch, dass es sich bei den abgebildeten Kleinschnitzereien um Netsukes handelte. Figuren aus Holz, Elfenbein, Knochen oder Stein, die als Knopf am Kimonogürtel dienten. Mit ihm wurde der Tabakbeutel oder auch mehrteilige Behälter (Inro) befestigt. Die Knöpfe stellen Figuren aus der Mythologie oder auch Berufe und Tiere dar. Natürlich gibt es auch erotische Schnitzereien. Letztere wurden als grobpornographische Nachbildungen in Hongkong an Touristen als Antiquitäten verscherbelt. Die Suche nach diesen Netsukes hat viel Spaß gemacht und wir waren überaus erfolgreich bei unseren Nachforschungen. Damals hatte anscheinend kaum jemand Interesse an diesen kleinen Kunstwerken. Unsere Einkäufe aus Penang/Malaysia und Bangkok wurden in Taiwan und Japan mit Verwunderung und Anerkennung registriert. Doch alle Kaufangebote haben wir standhaft ausgeschlagen. Wobei wir bestimmt nicht an die Auftrag- bzw. Tippgeberin gedacht haben. Fakt war, dass wir die Figuren mittlerweile in unser Herz geschlossen hatten. Ich selber erinnerte mich dann aber bei Zeiten daran, dass meine Sammelleidenschaft auszuufern drohte. Sammelte ich doch schon leidenschaftlich Briefmarken, Ansichtskarten und Schiffe im Maßstab 1: 1250. So ist meine Netsuke-Sammlung bescheiden klein geblieben. Peter hingegen nennt wunderschöne Exemplare sein Eigen, die u.a. in ausgedienten Petroleumlampen (Notbeleuchtung) der Maschine untergebracht sind. Letztere hatte ich bei meinen Kontrollgängen als Sicherheitsoffizier entdeckt und in der Freizeit in Gemeinschaftsarbeit mit meinem Mitstreiter aufgemöbelt. Anschließend haben sich einige der Ingenieure schwarz geärgert, weil sie nicht selber auf diese Idee gekommen waren. Übrigens von den erstandenen Knöpfen (Netsukes) hat die nette Dame von der Brigitte herzlich wenig bekommen.
Auch in der Indonesien-Fahrt bedurfte es einer gewissen Anlaufzeit, bis wir neben den typischen Andenken Neuland entdeckten und eroberten. Gefallen fand ich damals auch an den kunstvoll geschnitzten Eulen, Masken und dem Garuda-Vogel mit Vishnu als aufsitzenden Reiter.( Garuda – ist in der indischen Mythologie ein schlangentötendes halb mensch – halb adlergestaltiges Reittier des Gottes der Zerstörung und der Erneuerung. Noch heute als Hoheitszeichen bzw. Amtssiegel der Behörden und indonesischen Firmen)
Von den erworbenen Batikstempeln aus Kupfer habe ich mich nie trennen können. In dem Haushalt meiner Schwiegereltern steht noch heute der doppelwandige Bierkrug aus Zinn. Von den Handpuppen (Wayang Golek) und Schattenspielfiguren (Wayang Kulit) habe ich mich trotz heroischen Widerstands trennen müssen, weil meine Frau sich mehr als einmal vor diesen grell bemalten Köpfen zu Tode erschreckt hatte. Dabei war gerade der Kauf dieser Puppen (Wayang Golek) nicht alltäglich gewesen. Auf einem Wochenmarkt in Tanjungperiuk, dem Hafen von Jakarta, entdeckten wir den Händler mit seinen kleinen Kunstwerken. Die Auswahl war sehr bescheiden, weil ihm einfach das Geld für die Beschaffung von Material zur Schaffung weiterer Figuren aus der indonesischen Mythologie fehlte. Trotz sprachlicher Barrieren merkten wir recht bald, dass seine Erzählungen über die Handpuppen ein fundiertes Wissen zu Grunde lag.
Die Familie unseres Händlers hauste unter schräg an einer hohen Mauer lehnende Wand aus Brettern und Plastikbahnen ganz in der Nähe. Trotz der erbärmlichen Verhältnisse waren wir als Gäste willkommen. Wir haben dem guten Mann und seiner Familie einen großzügigen Vorschuss auf weitere noch anzufertigende Puppen gewährt.
Trotz aller Unkenrufe, der an Bord versammelten alten Hasen aus der Indonesienfahrt, klappte diese Geschäftsvereinbarung vorzüglich. Auf der nächsten Reise konnten wir unsere Bestellung in Empfang nehmen. Unsere Kleider- und Spielzeugsammlung aus Deutschland war zudem eine gelungene Überraschung für die Kinder der Familie.
Später haben wir dann erfahren, dass dieser Kunsthandwerker leider mit dem eingenommenen Geld eine Arbeitserlaubnis auf einem indonesischen Schiff erworben und somit seiner eigentlichen Begabung Adieu gesagt hatte.
Auf diesem Wochenmarkt entdeckten wir auch eines Tages sehr dekorative Tongefäße. Tülle und kleiner Deckel erinnerten entfernt an einen zu groß geratenen Teetopf. Zur Freude des Händlers kauften wir fast den gesamten Vorrat in zwei verschiedenen Größen. Das Transportproblem wurde mittels riesiger Binsen- bzw. Schilfkörbe gelöst. Wobei wir mit dem größten Exemplar, das wir zwischen uns trugen, zum Hindernis anderer Fußgänger wurden. Erschwerend kam hinzu, dass an der jeweils freien Hand ein weiteres Ungetüm von Korb baumelte.
Im Hafengebiet, kurz vor unserem Ziel, ließ Peter zu meinem Entsetzen plötzlich beide Körbe fallen und raste wie von der Tarantel gestochen hinter einem Jungen her. Wie sich kurze Zeit später herausstellte, hatte der Indonesier unser Transportproblem dreist ausgenutzt, um meinem Mitstreiter die Armbanduhr vom Handgelenk zu reißen. Wobei er allerdings nicht die kurze Reaktionszeit seines Opfers ins Kalkül gezogen hatte. Um seine Haut zu retten, warf er die Beute im hohen Bogen weg. Wie viele von den zerbrechlichen Tongefäßen bei diesem Manöver zu Bruch gingen, entzieht sich meiner Kenntnis. Zumindest haben wir diesen Sieg im Kneipenviertel Tanjungperiuks bei einem Chinesen ausgiebig gefeiert. Es wurde eine Fressorgie (Krebse), an der sämtliche Katzen aus der Nachbarschaft der Bars und Tanzschuppen teilnahmen.
Nicht immer war unsere Suche nach neuen Märkten von Erfolg gekrönt. In Belawan (Sumatra) bin ich per fensterlosen Bus in die Provinzhauptstadt Medan gefahren, um eventuell das eine oder andere Schnäppchen zu machen. Doch Visitenkarten von Pressevertretern aus aller Welt, die in einem Schaufenster eines Antiquitätenhändlers auslagen, machten es zur Gewissheit, dass ich um Jahre zu spät gekommen war.
Nach zähen Verhandlungen habe ich trotz alledem meine Armbanduhr und meine Kamera gegen ein Porzellangefäß und eine Duellpistole getauscht. Der blau gemusterte Ingwer-Topf erinnert noch heute an dieses zweifelhafte Geschäft. Den „Schießprügel“ hatte ich im Auftrag eines unserer Ingenieure erworben. Wobei ich mir fast sicher bin, dass ich eine gute Imitation mit Todesängsten am Zoll vorbei an Bord geschmuggelt habe. Wegen der „verschwundenen“ Armbanduhr gab es zudem in der Heimat noch mächtigen Ärger.
Doch ein wenig war der Händler in Medan mir auch auf dem Leim gegangen. Das bei Seegang zu Schaden gekommene Objektiv der Kamera hatte ich kunstvoll mit Uhu-Alleskleber repariert und fixiert.
Ujung Pandang auf Sulawesi (Celebes)war unter den Seeleuten nicht nur durch seine „king-size shrimps“ berühmt. Unter der Hand und höchst geheimnisvoll versuchte man uns an jeder Straßenecke alte holländische Silbermünzen anzudrehen. Unser Kapitän R. war Zeit seines Lebens nicht davon abzubringen, dass er in all den Jahren laut Katalog wahre Schätze angehäuft hätte. Wobei eigentlich schon die Mengen, welche jede Besatzung mitnahm, hätte stutzig machen müssen. Echt waren nur die offensichtlich noch vorhandenen Druckstöcke aus der holländischen Kolonialzeit. Auch ich konnte mich nicht dem Reiz des angeblich verbotenen Verkaufs historischer Münzen entziehen. Ein Numismatiker auf Norderney hat diese Erwerbungen noch heute als sehenswerte Fälschungen in seiner Sammlung.
Auf der Heimreise konnte man die Münzen mit beträchtlichem Gewinn im Hafen von Jakarta absetzen .Die einheimischen Käufer drehten diese Fälschungen wiederum Fahrgästen der Musikdampfer an.
Unsere Suche nach Schnäppchen und Antiquitäten verbreitete sich über die Agenturen wie ein Lauffeuer. So war es nicht verwunderlich, dass man mich in Surabaya auf Java mit tollen Versprechungen zu einem Ausflug ins Landesinnere überreden konnte. Auf dem Rücksitz eines Mopeds verließ ich unter der Führung unseres Agenten die Stadt. Über Nebenstraßen an Reis- und Tabakfeldern vorbei erreichten wir unser Ziel. Der chinesische Händler bewirtete mich wie üblich mit grünem Tee und vielen Komplimenten. Enttäuschend für ihn, dass ich an dem Waffenarsenal keinerlei Interesse hatte. Vermutlich ohnehin alles Fälschungen. Die von mir begehrten Apothekengewichte und Fläschchen mochte er offensichtlich selber leiden. Zumindest blockte er jedes Gespräch in dieser Richtung ab. Zu guter Letzt wurde ich zu meiner Verwunderung in das eheliche Schlafzimmer gelotst. Der Grund für diese Freizügigkeit fiel mir natürlich gleich ins Auge. Auf dem Nachtschrank der Hausherrin, unter einem großen Glassturz, stand eine wunderschöne Käthe-Kruse-Puppe. Trotz zäher Verhandlungen zerplatzten meine Träume vom großen Geschäft, als der Hausherr mir einen englischen Auktionskatalog präsentierte.
Christie`s Angebote im Urwald von Java – ich war und bin heute noch sprachlos.