Ostasiatischer Einkaufsbummel III
Die Einkaufstouren in den ostasiatischen Häfen waren eine willkommene Abwechslung in dem Bordalltag. Nicht zuletzt dienten diese beliebten Landgänge auch zum Stressabbau, der sich bei dem wochenlangen Zusammenleben auf engstem Raum aufstaute. Ursache war häufig die mehr als unglückliche Zusammensetzung einer Crew, trotz aller Disziplin war es dann schwierig, den einen oder anderen Menschen im Dienst und zudem im Freitörn zu ertragen. Kleinigkeiten waren dann Anlass für heftige Dispute und eine von beiden Kontrahenten gepflegte Feindschaft. Man erwischte sich auch selbst dabei, dass man bei dem auserwählten „Feind“ Maßstäbe ansetzte, denen man selbst in keinster Weise gerecht werden konnte. Die in den Messen gemeinsam eingenommenen Mahlzeiten und die damit einhergehenden Tischmanieren waren oft Ursache für feine Nadelstiche oder auch gröbste Pöbeleien. Letztendlich auch wohl nur ein Ventil für den angestauten Frust, der sich durch die enge Kasernierung an Bord aufgestaut hatte.
Wenn es also der Dienst und die Liegezeiten in den angelaufenen Häfen erlaubte, verdrückte man sich allein oder auch mit Gleichgesinnten für ein paar Stunden an Land. Wobei verschiedene Arten der Frustbewältigung zur Auswahl standen. Die Kulturbeflissenen erzählten nach ihrer Rückkehr locker und gelöst von ihrer tollen Sightseeingtour. Die Kneipengänger verschwanden nach ihrem Landgang mit einem verklärten Lächeln ziemlich wortlos in die Horizontale. Die Einkäufer und Schnäppchenjäger kamen unter Umständen mit einem Lastentaxi zurück und mussten gleich mehrmals die Gangway mit sperrigen Einkäufen bewältigen. Manchmal, wenn die Zeit es erlaubte, bündelte man auch die ein oder andere Möglichkeit der Frustbewältigung.
Die Einkaufstouren während einer Ostasien- oder Indonesienreise überschritten allzu häufig das zur Verfügung stehende Budget. Die erhofften Vorschusszahlungen in jeweiliger Landeswährung mussten vom Funker ab und zu verweigert werden, weil der Ziehschein, d.h. eine monatliche Überweisungen auf das heimatliche Konto es nicht erlaubte. So bin ich dann irgendwann auf die Idee gekommen meine kostspieligen Landgänge, teilweise mit Aufträgen und Verkäufen von Mitbringseln zu finanzieren. Der Funker Zielke war mir da ein blendendes Vorbild. Kaufte er doch in Kaohsiung oder Keelung gleich mehrere Dutzend hölzerne Steuerräder in verschiedenen Größen. Diese Imitationen aus Taiwan sind sicher noch heute die Prunkstücke so mancher Hausbar mit maritimen Touch. Den Zoll in Hamburg hat der gute Mann mit Hilfe seiner Brüder überlistet, als Streifenwagenpolizisten sind sie nie kontrolliert worden.
So habe ich mir dann seine Geschäftsidee zu Eigen gemacht und verfeinert. Bei größeren Bestellungen waren Vorschusszahlungen die Regel. So lief ich nicht Gefahr mangels Masse die geliebten Einkaufstouren einstellen zu müssen. Kleinigkeiten habe ich auf eigenes Risiko erstanden. So wurde die Surferclique in Norderney nach und nach mit Markenturnschuhen, weißen Socken einer Nobelmarke und Tennistaschen von Adidas ausgerüstet. Noch heute wundert es mich nicht wenig, dass der Zoll nie bei den nagelneuen und zudem in verschiedenen Größen eingeführten Turnschuhen stutzig geworden war.
Natürlich habe ich, wie viele andere Besatzungsmitglieder auch, die Geschäftsidee mit den Steuerrädern übernommen. Die Gewinnspanne war nicht unbeträchtlich. In Sachen Imitationen und Raubkopien waren die Nationalchinesen von Taiwan die absoluten Vorreiter der heutigen Fälschergeneration. Bücher, Schallplatten, Tonbänder und Uhren aller Nobelmarken wurden für einen Spottpreis angeboten. Wobei die Raubdrucke oft von exzellenter Qualität waren. Angeblich wurden die Armbanduhren im Auftrag der Nobelfirmen hergestellt. Nachts wurde dann die Arbeit mit weniger edlem Material auf eigene Rechnung fortgeführt und tagsüber unter dem Ladentisch an die Seeleute verhökert. Der Nachahmungstrieb der Chinesen schlug ab und zu seltsame Blüten. Durch die in Kaohsiung angesiedelten Abwrackwerften hatte sich ein blühender Handel mit nautischen Antiquitäten entwickelt, doch die Abbrecher konnten der gestiegenen Nachfrage oft nicht nachkommen. So wurde dann heftig gefälscht und imitiert. An jeder Straßenecke wurden einem Bulleyes aus Kunststoff und mehr oder weniger gut gelungene Positionslaternen und Ankerlampen angeboten. Der Passagierdampfer „Queen Mary“ ist in Kaohsiung nie abgewrackt worden. Meines Wissens liegt dieses Schiff als Vergnügungspark immer noch in Long Beach Kalifornien. Trotzdem konnte man bei den geschäftstüchtigen Chinesen an jeder zweiten Straßenecke eine große Schiffsglocke mit dem Namenszug „Queen Mary“ kaufen.
Mit ein wenig Geduld und viel Sucherei konnte man aber durchaus noch fündig werden. Selbst in einem Kaufhaus bin ich in einem extra gesicherten Raum auf nautische Kostbarkeiten aufmerksam geworden. Das dort erstandene englische Marinebarometer und die Schiffsuhr habe ich trotz verlockender Angebote nie aus den Händen gegeben. Ganz nebenbei bemerkten wir bei unserm Rundgang durch die verschiedenen Etagen des Kaufhauses, dass viele der Textilien mit DM- Preisschildern einer großen Kaufhauskette aus Deutschland mit DM-Preisen ausgezeichnet waren. Ware mit kleinen Fehlern, die der Importeur aus Europa anscheinend nicht haben wollte.
Durch Glück einem entsprechenden Tipp unseres Agenten habe ich dann die Anschrift eines Geschäftes bekommen, welches sich ausschließlich mit dem Export nautischer Antiquitäten befasste. Zu meiner Überraschung wurde der Laden von einer bildhübschen Chinesin geleitet, die sich als eisenharte Verhandlungspartnerin entpuppte. Von einmal genannten Preisen wich sie nie einen Deut ab. All die üblichen Floskeln bei einer Feilscherei um den Preis einer begehrten Antiquität konnte ich mir sparen. Wenn ich es trotzdem versuchte, zeigte sie mir nur die ausgedruckten Preise in ihren Exportlisten für Holland.
Geschäftlich sind wir uns dann doch noch über ihr Hobby näher gekommen, in ihrer Freizeit stellte sie Goldschmuck her. Entsprechende Katalogvorlagen habe ich bei jeder Tour aus Deutschland mitgebracht. Ein guter Bekannter aus Gütersloh hat u.a. von dieser Geschäftsbeziehung profitiert. Ich habe für ihn ein wunderschönes Chronometer schweizerischen Ursprungs erstanden. Letzteres hätte ich selbst auch gerne gehabt, wenn der Preis für mich erschwinglich gewesen wäre.
Doch durch Zufälle konnte man ab und zu auch ein schönes Stück erwerben. So erinnert mich ein schwerer Mörser mit Kolben an eine Apotheke in Kaohsiung. Das antike Stück stand auf einem Bord mit vielen Kräutern, Pülverchen und getrockneten Käfern und Schnecken – und war demnach auch noch in Gebrauch. Die Kaufverhandlungen gestalteten sich äußerst schwierig, weil mein in englischer Sprache vorgetragener Wunsch von niemand verstanden wurde. Nach einigen Anläufen und mit Händen und Füßen gelang es meine Kaufabsicht so zu formulieren, dass er von den Apothekenhelferinnen verstanden wurde. Die Umsetzung bzw. die Erfüllung meines Wunsches dauerte dann noch ein wenig länger. Nach einigen Telefonaten schleppte ein Bote ein halbes Dutzend nagelneuer Mörser an. Auf völliges Unverständnis stieß mein Beharren statt der blinkenden und blitzenden Exemplare, lieber das alte angelaufene mit Patina versehene Stück haben zu wollen. Wahrscheinlich erzählt man noch heute von der verrückten Langnase, die für den Preis eines neuen, den alten Mörser mitgenommen hat.