Costa Rica Geschichten
Mit verschiedenen Schiffen der Hamburg-Klasse habe ich Zentralamerika angesteuert Mit diesen konventionellen Frachtschiffen waren wir in der Kaffeefahrt eingesetzt. Wobei die zögerliche Anlieferung von größeren Partien Kaffees uns häufig traumhafte Liegezeiten in den Häfen Mittelamerikas bescherten. Unvergessen bleibt Puntarenas und Puerto Lemon in Costa Rica. Beide Häfen sind zur Seeseite relativ ungeschützt. Dieser Umstand hatte zur Folge, dass häufig Dünung und Wellen ungebremst, als so genannter Schwell, auf die Pieranlagen rollten. Die mit Trossen und armdicken Leinen,den so genannten Manilas, vertäuten Schiffe konnten dabei so heftig in Bewegung geraten, dass der Lade- oder Löschvorgang unterbrochen werden musste. In Puntarenas überraschten uns diese unkontrollierten Bewegungen beim Entladen eines nagelneuen Autobusses. Das schöne Fahrzeug geriet dabei in heftige Schwingungen und geriet als überdimensionaler Fender zwischen Schiff und Pier. Der an der Pier stehende Empfänger war „not amused“ über seinen flach gepressten Bus und hat die Übernahme verweigert. Der Lärm dieser ungewollten Schrottpresse verscheuchte sogar einige Dutzend Leguane, die sich ansonsten von den Arbeiten auf dem Schiff bei ihren Sonnenbädern nicht stören ließen. Aufgeschreckt wurden auch tausende von schlaftrunkenen Vögeln, die dicht an dicht auf den Oberleitungen zwischen den Telegraphenmasten der Pieranlage hockten. Ein beeindruckendes Bild, als diese, wie von Geisterhand gelenkte Vogelwolke nach Verklingen des Lärms in einem eleganten Bogen die Schlafplätze wieder einnahm. Nach diesem grandiosen Schauspiel war ich davon überzeugt, dass Hitchcock, wie von den Einwohnern Puntarenas behauptet wird, Szenen für seinen Film „Die Vögel“ an dieser Pier gedreht hat.
Häufig wurde der Schwell so heftig, dass die Leinen und Trossen die auftretenden Kräfte nicht standhalten konnten. Trotz der eingeschäkelten Vorläufer aus sehr elastischen und dehnbaren Chemiefaserseilen brachen die Festmacher. Nur die in ständiger Alarmbereitschaft stehende Maschinenbesatzung ermöglichte ein schnelles Auslaufen und verhinderte damit größere Schäden an Pieranlagen und Schiff. Auf Reede, vor Anker liegend, wurden dann die gebrochenen Leinen und Drähte repariert (gespleißt ), um anschließend bei ruhigerem Seegang ein erneutes Anlegemanöver zu wagen.
Ankerliegezeiten auf der Reede eines Hafens konnten auch andere Ursachen haben. Die Pieranlagen waren nur für wenige Schiffe ausgelegt und die Reihenfolge der Abfertigung der ankernden Frachter oblag den Behörden. Die Agenturen der Reedereien versuchten dabei mit mehr oder weniger Erfolg Einfluss auszuüben. Wiederum kam es auch vor, dass die avisierte Ladung noch nicht greifbar war. So haben wir einmal, zur allgemeinen Begeisterung der Besatzung , in Puerto Limon sechs Wochen auf Kaffee und Edelhölzer, Pitchpine oder Pechkiefer, gewartet. Vielleicht hat auch der örtliche Agent nicht die richtigen „Worte“ bei dem zuständigen Beamten gefunden. Der Besatzung ist diese unverhoffte Liegezeit nie langweilig geworden. Während der Arbeitszeit wurden mit Hingabe, die von der Seeberufsgenossenschaft geforderten Sicherheitsübungen durchgeführt. Favorisiert waren natürlich die Bootsmanöver, die zu größeren Ausflügen mit den beiden Rettungsbooten ausarteten. Angesteuert und erobert wurde ein dem Hafen Puerto Limon vorgelagertes Inselchen. Ein bis auf unzählige Blattschneideameisen, rote Landkrabben und Einsiedlerkrebsen unbewohntes Eiland. Die Menschenleere dieses kleinen Palmen bestandenen Paradieses fand dann doch noch eine Erklärung. Unsere Entdeckerlust wurde durch bissige Sandflöhe und die äußerst aggressiven Moskitos schnell gebremst.
Wenn der Schwell es erlaubte, steuerten wir die breiten Sandstrände des Festlandes an und mischten uns unter die Einheimischen. Ausprobiert haben wir auch mit Eifer, das in der Ausrüstung der Rettungsboote vorhandene Angelgerät. Die Verarbeitung und Zubereitung von Katzenwelsen und Tintenfischen lehnte unser Koch leider kategorisch ab. Vermutlich fand er in seinem Kochbuch kein Rezept für diese Exoten. Nur unser chinesischer Wäscher Fritz dankte den Petrijüngern überschwänglich. Wobei er die modderig stinkenden Welse wahrscheinlich heimlich über die Kante gefiert hat. Die bekanntlich schmackhaften Raubfische haben wir nie an den Haken bekommen. Ihre Existenz konnten wir nur erahnen. Nach und nach wurde uns der gesamte Vorrat an blinkenden Ködern jeweils mit einem heftigen Ruck von der Angelsehne gerissen.
Landausflüge wurden geplant und in die Tat umgesetzt, wobei es sich empfahl, Puerto Limon nur in Gruppen zu erkunden. Unserem mutigen Chief Ingenieur wurde am helllichten Tag bei seinem Gang zur Post die Gesäßtasche seiner Jeans samt Portemonee geraubt. Andere Landgänger berichteten von Überfällen vor Diskotheken und Kneipen. Diese wenig verlockenden Begebenheiten brachten uns dazu, das Landesinnere zu erkunden. Geradezu verlockend waren die preisgünstigen Reiseangebote in die Hauptstadt San Jose. Per Bus, Bahn oder Flugzeug machten sich Tag für Tag Abordnungen der Besatzung auf den Weg in die Metropole Costa Ricas. Mit einer unserer Stewardessen habe ich diese Reise dann auch angetreten. Wobei wir die Kombination Bahn – Flugzeug wählten. Die Bahnfahrt durch dieses wunderschöne Land und der anschließende Bummel durch die Hauptstadt waren einfach nur schön. So fiel es uns schon fast ein wenig schwer, per Flugzeug die Heimreise anzutreten. Der umgebaute amerikanische 2. Weltkrieg-Flieger machte trotz seines Alters einen soliden Eindruck. Selbst die unter der Decke noch vorhandenen Leitschienen für Fallschirmspringer störten uns wenig. Von unseren zugewiesenen Sitzen aus blickten wir auf die linke Tragfläche und auf einen der Propeller dieser zweimotorigen Maschine. Mit einiger Verzögerung hoben wir zu unserm Flug nach Port Limon ab. Die beiden Piloten gaben sich relativ wortkarg. Letzteres änderte sich dann schlagartig, als ein Motor nach stotternden Geräuschen den Dienst einstellte. Mit aufkommenden Unbehagen blickten wir auf den stehenden Propeller. Nicht nur die fehlende Klimaanlage sorgte für feuchte Hände. Nach einer kleinen Ewigkeit erklärte dann unser Pilot, dass wir mit einem Motor die vor uns liegenden Berge nicht bewältigen könnten. Daher wäre es ratsam,wieder in Richtung San Jose zu fliegen. Zu unserer Erleichterung wurde der Rückflug ohne weitere Komplikationen bewältigt Die Landung ging in einem Beifallsorkan der erleichterten Passagiere unter. Der Umstieg in eine wartende Maschine gleichen Typs dauerte etwas länger, zumal einige Mitreisende entnervt ihren Flug stornierten und auf Bahn, Bus oder Taxi umstiegen. Im zweiten Anlauf sind wir dann auch glücklich an der Küste in Sichtweite unseres Schiffes gelandet.
Auch diese außergewöhnlich lange Liegezeit hatte ein Ende. Die Heimreise führte unser Schiff über Curacao, niederländische Antillen, nach Lanzarote. Beim Löschen der gebündelten Pitchpine-Bretter versetzte ein blinder Passagier die Hafenarbeiter in Laderaum 2 in helle Aufregung. In wilder Flucht verließen sie die Luke um sich vor einem Untier in Sicherheit zu bringen. Zurück blieb nur ein Gabelstaplerfahrer auf seinem qualmenden Gefährt, der in einem aberwitzigen Slalom einen mitgereisten Leguan zu erlegen versuchte. Mittels Arbeitshandschuhen habe ich die völlig abgemagerte Echse eingefangen und in einem leeren Bananenkarton verstaut. Die Auswilderung auf der Kanaren Insel wurde von den Behörden strikt untersagt. Erbarmt hat sich schließlich der Fahrer des Gabelstaplers, der dem Tier kurz vorher noch nach dem Leben getrachtet hatte. Er adoptierte den völlig harmlosen Drachen.
Sollten Sie im Urlaub auf Lanzarote Leguane sichten – die Urmutter dieser Sippe sollte unser blinder Passagier aus Costa Rica gewesen sein.