Mitbringsel I

Als Seemann fällt einem bei dem Stichwort „Schnäppchenkauf“ spontan natürlich der ostasiatische Raum mit Märkten und Geschäften abseits der üblichen Touristenrouten ein. Auch nach dem Abschied von der „Großen Fahrt“ vor mehr als zwei Jahrzehnten hält einen das geschäftige Gewimmel  und die Gerüche der Garküchen in den Straßen von Hafenstädten Malaysias, Indonesiens, der Philippinen oder Taiwans in Gedanken gefangen. Einkäufe aus Penang, Port Kelang, Singapore, Hongkong, Kaoshung oder anderen ostasiatischen Häfen wecken Erinnerungen an erfolgreiche und auch an weniger erfolgreiche Kaufverhandlungen. Jedes Stück „Erinnerung“ hat seine ureigenste Geschichte, und es fällt schwer eine Wertung vorzunehmen. Wobei man nur allzu gern die Sternstunden des eigenen Sammlerlebens in den Vordergrund schieben möchte. Hofft man doch auf diese Weise, als engagierter Philatelist (Deutschland, mit Schwerpunkt DDR) und Ansichtskartensammler (Norderney), Kontakte zu knüpfen. So möchte ich denn auch vorläufig auf weitere Eigenwerbung in Sachen Hobbys verzichten und die Geschichte einer nautischen Antiquität wiedergeben bzw. erzählen.

Ähnlich einem Kraftfahrzeug muss  auch ein Schiff in einem zeitlich festgelegten Rhythmus in einem Werftbetrieb zur Überholung, anschließender Besichtigung bzw. Kontrolle und Prüfung aller technischen Einrichtungen. Bei Schiffen ist dieser TÜV der Germanische Lloyd oder eine andere Klassifikationsgesellschaft. Aus Zeit und Kostengründen wurde die Klassifikation der Containerschiffe im Ostasiendienst seinerzeit in einer Großwerft in Ulsan/Korea durchgeführt. Die Ausmaße dieser Werft sind einfach gigantisch. Angeblich hat dieser Betrieb die Ausmaße aller deutschen Werftbetriebe zusammen. Neben dem eigentlichen Werftbetrieb gab es eine Maschinenbauhalle. In einem anderen Bereich wurden u.a. Container gefertigt und eine Abwrackwerft versorgte ein Stahlwerk mit dem nötigen Schrott. In riesigen Docks entstanden gleichzeitig Containerschiffe der dritten Generation, Tanker und Massengutfrachter. Unsere große „Tokio Express“ wirkte in dem riesigen Trockendock geradezu winzig. Gleich nach der Dockung bekam jeder aus der Schiffsleitung einen mehr oder weniger wichtigen Posten zugeteilt. Es handelte sich dabei durchweg um Überwachungsaufgaben. Ich durfte die Reparatur der Lukendeckel beaufsichtigen. Weitab von unserem Schiff wurden diese großen Stahlkonstruktionen auf einem Platz in der Größe eines Fußballfeldes aufgebockt. Die von mir markierten Risse in den Schweißnähten wurden von kichernden Koreanerinnen ( Susis ) im Laufe der Werftzeit repariert. Um zu den Mahlzeiten pünktlich an Bord zu erscheinen, stellte mir die Werftleitung ein Dienstfahrrad zur Verfügung. Ich habe dann dieses Mittel der Fortbewegung zu Werfterkundigungen missbraucht und nach und nach das riesige Terrain der Werft erforscht und erobert. So entdeckte ich bei meinen Touren ein Schwimmbad, welches ausschließlich den Besatzungen der in der Werft liegenden Schiffe zur Verfügung stand. Eine geradezu magische Anziehungskraft übte der dazugehörende Abbruchbetrieb auf mich aus. Doch erst am vorletzten Tag konnte ich bis in die Schatzkammer der Abbrecher vordringen. In  einem der Regale wurde ich dann auch fündig. Zwischen all dem seemännischen Krimskrams entdeckte ich einen  Chronometerkasten. Der Inhalt befand sich allerdings in einem erbärmlichen Zustand. So fehlte diesem Chronometer die kardanische Aufhängung des Uhrkörpers. Gang und Stand ließ sich natürlich auch nicht mehr überprüfen. Gekauft habe ich die kläglichen Reste für wenig Geld dann doch,  weil mir der Name „Glashütte“ Hoffnung auf eine Reparatur machte. Auf der Heimreise schrieb ich dann voller Optimismus an die VEB Glashütte in der DDR mit der Bitte um Ersatzteile. Doch leider ohne Erfolg. Bei diesem alten Modell mussten dann auch andere namhafte Chronometerhersteller passen bzw. die Angebote einer möglichen Reparatur erreichten astronomische Höhen. Als letztlich erfolgreicher Versuch einer Restaurierung dieser nautischen Antiquität erwies sich der Kontakt  zu einem alten Briefmarkentauschpartner in Dessau. Letzteren hatte ich Jahre vorher bei dem Briefmarkenhändler „Sellschopp“ in Hamburg  getroffen, als er sein karges Westtaschengeld durch Briefmarkenverkäufe aufbesserte. Seine Kenntnisse als Uhrmachermeister und die Mithilfe eines pensionierten Kollegen aus dem VEB erweckten das schöne Stück wieder zum Leben. Wobei die Rücksendung der dann als Kulturgut der DDR ausgewiesenen Antiquität mit erheblichem Ärger verbunden war. Meine Kaufquittung aus Korea machte wenig Eindruck auf die DDR – Behörden. Wer kennt sich auch schon mit koreanischen Schriftzeichen aus? Vielleicht hatten auch die Genossen von Herrn Schalk- Golokowski ihre Hände im Spiel. Zumindest nahm die Schreiberei kein Ende. Eine Übergabe auf der Transit – Autobahn wurde zeitweilig auch erwogen. In meinem letzten Brief in Richtung Dessau plante ich dann ernsthaft eine direkte Beschwerde bei dem Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker vorzubringen.

Manchmal hat so ein Überwachungsstaat auch Vorteile, denn innerhalb einer Woche nach diesem Schrieb konnte ich das Chronometer in Norderney in Empfang nehmen.

Auch wenn die Uhr heute nur noch selten aufgezogen wird, so bleibt es doch ein Stück Erinnerung und manchmal ist diese Geschichte auch Auslöser für weitere Einkaufsstorys eines unverbesserlichen Sammlers.