Rotes Meer und „Perser Golf“

Die Weltweit fahrenden Reedereien waren entweder in der Tramp – oder Linienfahrt tätig. Die Trampfahrt war bei den Seeleuten weniger beliebt, weil die Einsatzdauer und somit der Ablösetermin häufig ungewiss war. Hinzu  kam, dass die Fahrtroute sich allzu oft erst während des Einsatzes ergab. Agenturen und das jeweilige Frachtangebot bestimmten die Reihenfolge der zu bedienenden Häfen. In der Linienfahrt blieben einem  solche Unwägbarkeiten erspart. Dank ihrer speziellen Bauart waren Schiffe  auch an bestimmte Fahrtgebiete gebunden. So hatten z.B. die Schiffe in der „Kanada – Große Seen – Fahrt“ u.a. Schwingbäume, um Mitglieder der eigenen Besatzung per Bootsmannsstuhl in den vielen Schleusen an Land zu setzen, um  dann den Job eines Festmachers zu versehen. Spätestens vor Reiseantritt erfuhr man über den „Heuerstall“ wohin die Reise gehen sollte. Den genauen Reiseverlauf verriet letztendlich der Postzettel, der jedem Besatzungsmitglied vor Beginn der Reise ausgehändigt wurde. Auf diesem DIN  A4 Bogen waren alle Häfen mit Liegezeiten und Anschriften der Agenturen vermerkt. Letzterer war auch das Bindeglied zur Familie und zu Freunden. Diesbezügliche Korrespondenz war in der damaligen Zeit der einzige Weg familiäre und soziale Kontakte zu pflegen. Gespräche über Norddeich Radio oder andere Küstenfunkstellen waren teuer und wurden eigentlich nur in außergewöhnlichen Situationen in Anspruch genommen.

Reedereien in der Linienfahrt waren in den unterschiedlichsten Fahrtgebieten aktiv, wobei sich einige Reeder auf spezielle Fracht bzw. Routen im Laufe der Jahre spezialisiert hatten. So bediente die Reederei  Rickmers  ohne größere westliche Konkurrenz China. Die Hamburg – Süd von der Firmengruppe Oetker bediente u.a. Südamerika und Australien. Kanada und die Großen Seen wurden u.a. von den Reedereien Stinnes und Schulte & Bruns bedient. Der afrikanische Kontinent u. a. von den Schiffen der DAL (Deutsche Afrika Linien) und der Woermann – Linie. Der Nahe  und Mittlere Osten, Madagaskar und  Mauritius war der DDG Hansa aus Bremen vorbehalten. Wobei  die Seeleute nur das Rote Meer und den Persischen  Golf (kurz „Perser Golf“ betitelt) mit der Hansa in Verbindung brachten. Natürlich gab es Überschneidungen und Ausnahmen bei der Bedienung der Kontinente, Länder und Häfen, doch bei den Seeleuten waren die Namen der Reedereien mit bestimmten Fahrtgebieten und  liebevoll gepflegten Vorurteilen verbunden. Selbst die Schornsteinmarken und Firmenlogos wurden zum Ziel von Spötteleien und Lästereien. So wurde aus S & B (Schulte & Bruns) „Säufer & Banditen“ oder auch „schnell & billig“. Aus der O.P.D.R (Oldenburgisch Portugiesische Dampfschiff Reederei) wurde „Ohne- Proviant – durch – Russland“)  Die Schornsteinmarke der Hansa – Linie mit ihrem roten Tatzenkreuz auf weißem Grund wurde bei Seeleuten konkurrierender Firmen zum „Hungerkreuz“. Angeblich war einmal ein Schiff dieser Reederei mit dem riesigen Schriftzug „Wir haben Hunger“ an der Bordwand in Bremen eingelaufen. Auch vor der Hapag machten die Lästermäuler nicht Halt. Aus der schwarz-weiß-roten Schornsteinmarke wurde die „Ringelsocke“. Aus dem an Bord von den Besatzungen gerne getrunkene bayrische Bier wurde geringschätzig von „Löwenp…“ gesprochen. Den Lloyd – Fahrern aus Bremen ging es auch nicht besser. Angeblich hatten wir alle einen gelben Hals (die Farbe der Schornsteinmarke war gelb) und wurden militärisch gedrillt. Letzteres habe ich eigentlich nur einmal in all den Jahren erlebt. Kapitän Walter F. versuchte allerdings vergeblich uns während der Seereisen in der Lloyd-Uniform zu den Mahlzeiten in der Offiziersmesse zu versammeln. Wir nahmen  fast  geschlossen in der sogenannten  Duty-Messe unsere Mahlzeiten ein, hier konnte und durfte man essen, wenn keine Zeit für die mehr als lästige Umzieherei  übrig war. So thronte unser Reiseleiter einsam und verlassen in der großen Messe. Ab und zu leistete ihm der 1. Offizier Herr von Ribbeck zu Ribbeck  Gesellschaft. Grün war man sich allerdings auch nicht, es wurde während  keiner Mahlzeit ein Wort gewechselt, angeblich verkehrten die Herren nur schriftlich.  Aus den Augen des Kapitäns sprach die ganze Verachtung für den nachlässigen Aufzug seines Stellvertreters. Wobei ich mir fast sicher bin, dass der nachlässig geknotete Schlips und der offene Gürtel eine gewollte Provokation darstellten.

Bei der Hansa – Linie gab es neben dem“ Hungerkreuz“ noch viele Spötteleien und dumme Sprüche in Bezug auf das Fahrtgebiet. Ohne Frage, es war auf den nicht klimatisierten Schiffen kein Vergnügen seiner Arbeit nachzugehen. Im Roten Meer und im „Perser Golf“ können die Temperaturen nicht nur im Sommer geradezu mörderisch sein, daher auch wohl der Spruch unter „Nicht Hansa  Fahrern“, dass man nach drei Reisen einen Mord frei hätte. Bei der Durchfahrt des südlichen Roten Meeres haben wir oft die Seeleute auf den Schiffen der Hansa und der Deutschen Seereederei  (DDR) bemitleidet, wenn sie auf der Reede  von Massauer /Eritrea, dem bekanntlich heißesten Hafen der Welt, auf Warteposition lagen. Wir, von der Hapag und dem Lloyd, streiften allenfalls einmal dieses ungeliebte und verteufelte Fahrtgebiet. In Aden/ Jemen  und Djibouti  wurde, wenn die Treibstoffpreise günstig waren, ab und zu gebunkert. Auf einer meiner ersten Reisen mit der „Hessenstein“ haben wir im damaligen  französischen Somaliland  auch Ladung gelöscht und aufgenommen. Die hoch aufgewachsenen Hafenarbeiter in Djibouti schleppten bei sengender Hitze unter dem begleitenden Gesang eines Vorarbeiters  zwei Zentner schwere Säcke mit Bohnen in die Laderäume. Wohlbemerkt, der gesamte Arbeitsablauf in leichtem Trab. Die strengen Moslems legten nur die vorgeschriebenen Gebetspausen ein. Sehr ungehalten wurden sie, wenn einer der unsensiblen Fahrgäste oder Besatzungsmitglieder zum Fotoapparat oder Filmkamera griff. Probleme hatten  auch die Hafenbehörden und Agenturen mit diesen langen und mageren Kerlen. Nach der ersten Lohnauszahlung verschwanden sie meist wieder zu ihrem Stamm und ihren Viehherden. Wesentlich größeren Ärger hatten wir seiner Zeit mit Soldaten der französischen Legion. Legionäre mit deutschen Wurzeln lockte immer wieder deftige deutsche Kost an Bord, vom deutschen Bier und Schnaps ganz zu schweigen. Das Hafengebiet wurde dann zur Bannmeile, nachdem zwei  dieser Fremdenlegionäre mit unserm Schiff desertieren wollten. Kurz nach dem Auslaufen wurden die beiden Unglücksraben plötzlich auf dem Vorschiff gesichtet. Angeblich hatten sie die Abfahrt des Schiffes im Vollrausch verschlafen. Die nicht mehr ganz komplette Uniform stand im krassen Widerspruch zu dieser Version. Nach Absprache mit den französischen Behörden brachten wir die blinden Passagiere zurück. Ich bezweifle allerdings, dass die Fürsprache des Kapitäns in diesem Fall etwas gebracht  hat. Sehr zartfühlend soll  die Legion mit Fahnenflüchtigen nie umgesprungen sein.

Bei einer dieser Stippvisiten beförderten wir lebende Fracht von  Französisch Somalia  nach Suez/Ägypten. Eine ganze Herde magerer Kühe bevölkerten das Vor  – und Achterschiff. Die mitreisenden Viehhirten kümmerten sich nur unzulänglich um die Rindviecher. Auf der Suche nach Futter fraßen sie in der Zimmermannswerkstatt in einem unbeobachteten Moment den gesamten Bestand an Schmirgelleinen auf. Der Löschvorgang in Suez hätte jeden Tierschützer auf die Barrikaden getrieben. Jeweils zwei Kühe wurden per Tampen um das Gehörn  mit dem bordeigenen Ladegeschirr an Land gesetzt.

Auf Grund des mörderischen Klimas und den durch Vorurteile genährten Gruselgeschichten über die Hansa war man nicht unglücklich, dass man dieses Fahrtgebiet allenfalls einmal streifte. So wähnten sich denn die Seeleute der Hapag – Lloyd AG über Jahrzehnte in absoluter Sicherheit. 1980 änderte sich mit der Pleite der  Hansa die Situation grundlegend. Einer der Gläubiger war gleichzeitig einer der Hauptaktionäre unseres Arbeitgebers. Aus der Konkursmasse der Hansa wurden sechs Schiffe übernommen  und damit erbten wir auch das angestammte Fahrtgebiet der alten Bremer Firma. Unter den  Seeleuten gingen Gerüchte und  die Angst um nun doch in dieses ungeliebte Gebiet fahren zu müssen.  Knapp ein Jahr nach der Übernahme der Schiffe erwischte es mich. Ein Heuerschein für die „Fulda Express“ kam mit der Post. Mit der Pleite der Hansa waren natürlich auch die Traditionsnamen mit der Endung auf „Fels“ gestorben. Aus  den  „Fels – Schiffen“ der Concord  Klasse wurden Express – Schiffe der Hapag – Lloyd AG. Drei dieser Schiffe wurden dann im Pendelverkehr zwischen Japan und Australien eingesetzt, die anderen 50%  zwischen Europa und Persischen Golf. Ursprünglich waren diese Schiffe auf griechische Rechnung 1974/75 als Frachtschiffe in Japan von Stapel gelaufen. Mein neuer Arbeitsplatz hieß ursprünglich M/S „ Aristoandos“ . Mit dem Umbau zum Containerschiff wurde es von der „Frankenfels“ dann zur“ Fulda Express“. Sehr zu meinem Leidwesen wurde es dann aber nichts mit dem Einsatzgebiet Japan-Australien. Per Flugzeug ging es nach Barcelona/Spanien. Die  Agentur brachte uns in einem Hotel unter, weil das Schiff wegen schlechten Wetters erhebliche Verspätung hatte. In der Hotel Bar lernte ich beim Dämmerschoppen  die gesamte Besatzung kennen. Der Kapitän kam mir seltsam bekannt vor, doch in punkto früherer Einsätze war der alte Herr merkwürdig einsilbig.

Nach den Einsätzen auf den Großcontainern in der Ostasienfahrt war die „Fulda Express“ im ersten Moment ein Schock. Mit 14000 BRT und einer Länge von 171 Metern wirkte das Schiff wie ein fettgemachtes  Küstenmotorschiff. Mit einer Tragfähigkeit von gerade einmal 924 Teus (Containern) war es auch wohl nicht mehr als ein mittlerer Zubringer. Die zweiunddreißigköpfige  Besatzung bestand aus der deutschen Schiffsleitung und Pakistanis. Am Heck des Schiffes wehte die Flagge von Singapore. Die Billigflagge hatte auch eine tröstliche bzw. beruhigende Wirkung, weil der Einsatz aus steuerrechtlichen Gründen  nicht länger als ein halbes Jahr dauern durfte. Die Übergabe durch den Kollegen erfolgte in Windeseile, weil der Flieger in Richtung Heimat ja nicht warten konnte. Die ersten Stunden und Tage waren für die Neuankömmlinge chaotisch, weil viele Dinge an Bord und bei den zuständigen Agenturen in den Häfen noch nach dem Hansamuster abliefen, zudem war uns das Fahrtgebiet ja völlig fremd. Natürlich gab es auch erfreuliche Dinge an Bord. So verdienten wir uns in Barcelona ein unverhofftes Zubrot, weil wir die Lascharbeiten (Sicherung der Ladung mit Schäkeln, Drähten und Stangen) der an Deck stehenden Container übernehmen durften.

Der Agent  In Marseille beschenkte unsere ansonsten dürftige Schiffsbar mit einigen Flaschen vorzüglichem Cognac. Mit Genua  und Livorno ließen wir dann die letzten europäischen Häfen  hinter uns. Durch die Straße von Messina ging es an Kreta vorbei in Richtung Suez – Kanal.  In Jeddah/Saudi Arabien taten sich dann die ersten Probleme auf. Die Zollfahndung wurde in dem Salon des Kapitäns fündig, eine leere Cognac  Flasche im Papierkorb seines Schreibtisches sorgte für Ärger. Eigentlich hätten wir gewarnt sein müssen, hatten wir doch alle schon einmal von der Geschichte eines Chief-Ingenieurs gehört, der wegen einer ähnlichen Geschichte im Knast landete, er konnte nicht plausibel erklären, wie eine leere (!!!) Flasche in die Deckenverkleidung seiner Kammer gelangen konnte. Wahrscheinlich ein übler Scherz eines Werftarbeiters bei Überholungsarbeiten. Die Reederei musste rund 40 000 DM Auslöse zur Befreiung  des Mannes zahlen. Wie unser Alter sich aus der Geschichte herauswinden konnte, entzieht sich meiner Kenntnis. Aus Schaden wird man bekanntlich klug. Auf den folgenden Reisen wurden vor Jeddah selbst Kronkorken säuberlich entsorgt. Als Ladungsoffizier stand mir auch noch einiger Ärger bevor. Bemängelt wurde, dass in dem handgemalten Stauplan  die Container mit Alkohol  für die Emirate im Persischen Golf nicht kenntlich gemacht waren, zudem weigerten sich die streng moslemischen  Hafenarbeiter, einige für Jeddah  bestimmte Container zu löschen, weil  diese auf Boxen  mit alkoholischen Getränken standen. Selbst die Nähe dieses Teufelszeugs  betrachteten sie offensichtlich als Affront gegen ihren Glauben. Nicht gelöscht wurden einige Behälter mit Militärgut, weil die Plomben in einer der letzten Häfen wohl von Hafenarbeitern aufgebrochen worden waren, von der Ladung fehlte aber nichts. Auf späteren Reisen haben wir dieses immer wieder auftretende Problem mit Sekundenkleber gelöst. Getoppt wurde dieser bürokratische und religiöse Irrsinn auf späteren Reisen mit der Hapag –Lloyd Flotte. Kurz vor Erreichen dieses Pilgerhafens machte ein großer 40 Fuß – Kühlcontainer schlapp. Mit Bordmitteln war der Schaden nicht zu beheben. Eine Anfrage bei der Agentur ergab, dass sich vor Ort ein Techniker der Kühlcontainerfirma bei unserer Ankunft bereithalten würde, doch die Behörden spielten nicht mit. Der Reparaturservice durfte nicht an Bord, der defekte Container wiederum nicht an Land, weil er für einen anderen Hafen bestimmt war. Gelöst wurde das Problem, indem wir einen leeren Container von Land auf den defekten stellten und den gesamten Inhalt per Hand umpackten, was für eine Zeitverschwendung.

Auf dem Weg nach Muscat/Oman wurde ich von meinem Kollegen, der sich der Schiffsbar angenommen hatte, nach dem Verbleib des großzügigen Geschenks aus Marseille gefragt, doch ich konnte ihm auch nicht weiterhelfen. Die Batterie von Cognac  Flaschen blieben unauffindbar.

Die Ansteuerung von Muscat (Muttrah) war abenteuerlich . Die vorgelagerten Berge verdeckten Hafen und Ortschaft völlig. Selbst auf dem Radarbild war kein Schlupfloch zu diesem früheren Piratennest  der Pfefferküste zu erkennen. Wie von Zauberhand und einem „Sesam  öffne dich“ tat sich dann doch, beängstigend nahe  dieser Felsenbarriere, ein Schlupfloch auf. Leider war die Liegezeit in diesem hochmodernen Hafen nur sehr kurz. Ich hätte diese, in einem riesigen Talkessel liegende Stadt gerne näher erforscht. Doch als Ladungsoffizier eines relativ kleinen Containerschiffes  bleibt einem bei all dem Papierkrieg herzlich wenig Zeit für Landgänge. Kurz vor unserer Weitereise wurde noch ein Kühlcontainer verladen, der in Muscat einer Reparatur unterzogen worden war. Aus den Ladungspapieren ging hervor, dass es sich um eine Ladung  edler Schweizer Schokolade handelte. Auf unserer Weiterfahrt passierten wir die Straße von Hormuz, um anschließend die Häfen von Abu Dhabi/Vereinigte Arabische Emirate, Doha/Katar und Ad Dammam/ Saudi Arabien anzulaufen. Eine längere Liegezeit winkte erst wieder in Kuwait, weil die Hafenanlagen dieser Stadt damals völlig veraltet waren. Die Container wurden mit Mobilkränen gelöscht und geladen. Durch die geringe Reichweite bzw. Auslage der Kräne konnte  nur jeweils die der Landseite zugekehrte Seite des Schiffes be – oder entladen werden. Um die andere Seite bearbeiten zu können, musste das Schiff dann mit Hilfe von zwei Schleppern vor der Pier gedreht werden. Diese Prozedur war teuer und sehr zeitaufwendig. Die Besatzung hatte dadurch die Möglichkeit eines Landgangs. Faszinierend war für mich das Treiben auf dem Goldmarkt. Der Schmuck durfte nur  nach Gewicht verkauft werden. Nach Aussage unseres örtlichen Agenten war es den Händler erlaubt, bis zu 5% auf den jeweiligen Welthandelspreis des Goldes aufzuschlagen. Gegenüber der einheimischen Bevölkerung waren unsere Einkäufe eher bescheiden. Auffallend viele Frauen waren unter den Käufern. Da wechselten dann auch dicke Bündel von Geldscheinen den Besitzer, angeblich eine Altersvorsorge für die Damen, weil  Trennungen in diesem Land meistens zu Lasten der Ehefrauen vollzogen werden.

Der reparierte  Kühlcontainer aus Oman wurde dann noch zu einem ganz großen Ärgernis, nach dem Abtransport erlebte der Empfänger eine mehr als unangenehme Überraschung, die Kontrollscheibe des Containers zeigte klar und deutlich, dass das Kühlaggregat in Muscat über Tage seine Tätigkeit eingestellt hatte. Bei tropischen Außentemperaturen war dann der süße Inhalt zu einem riesigen Klumpen aus Verpackungen und Schokolade zusammengeschmolzen. Nach der Reparatur versteinerte die Masse und widerstand allen Entladungsversuchen. Eine Rücknahme der süßen Fracht verweigerte ich mit Erfolg, weil die Ladung ja schon Schiff und Hafen verlassen hatte.

Die Heimreise traten wir mit rund 900 leeren Containern an, lediglich ein dutzend Boxen waren mit Quarzsand beladen. Die Fahrt in Richtung Mittelmeer wurde mit den üblichen Reparatur– und Malerarbeiten ausgefüllt. Neben meiner Wache hatte ich viel Zeit für meine kleine Reisebibliothek, die in Marseille nach jeder Reise eine kleine Auffrischung erfuhr. Diese nette Geste hatte ich B. Kolberg zu verdanken, der mich auf der „Tokio Express“ als Offiziersanwärter  begleitete. Genossen habe ich auch die gute Küche unserer pakistanischen Mitarbeiter, nicht nur das Fladenbrot schmeckte vorzüglich. Übrigens unter den vielen Moslems der Besatzung befand sich immer ein pakistanischer Christ oder Hindu, letzterer stand ganz unten in der Bordhierarchie und war, wen wundert es, für die Reinigung der Toiletten zuständig.

Mein Kollegen und ich hatten, während der Heimreise, immer wieder seltsame Telefonanrufe. So forderte mich unser Reiseleiter mehrmals auf, die Lüftung in dem Laderaum vor der Brücke auszustellen. Leider konnte ich der Aufforderung nicht nachkommen, weil eine solche Lüftung gar nicht existierte. Bei meinen Kollegen wurde es mit der Zeit noch ärger. Unser Kapitän sichtete in seiner Kammer Neger und weiße Elefanten, letztere ließen erst in der Schiffsbar von ihm ab. Cognac in größeren Mengen soll ja Ursache für solche Halluzinationen sein. Plötzlich konnte ich mich auch wieder an eine Ostasienreise unter seiner Regie erinnern. Seine Trinkfreudigkeit führte damals dazu, dass wir ihn tagelang nicht zu Gesicht bekamen, weil er seinen Salon nicht verließ.  Seine Sauftouren waren  aber unserem selbstständigen Denken und Handeln aber mehr als förderlich. Mussten wir doch  alle Formalitäten in den Häfen ohne sein Zutun  entscheiden und durchführen. So hat er wohl die letzten Jahre bis zu seiner Pensionierung als gern gesehener Fahrgast seine Zeit auf den Schiffen abgerissen.

Die schlimmen Schauergeschichten über dieses Fahrtgebiet haben sich übrigens nie bewahrheitet, nach fast fünf Monaten Fahrzeit kam dann für mich wieder  der Abschied.

Der Nachbar auf der Rückseite unseres Hauses in Norderney erinnert mich manchmal an diese Reisen zum „Perser Golf“, wenn er die Flagge der Hansa aufzieht, ich habe ihm dieses Andenken damals gerne überlassen.

PS.: Ein zweites Souvenir steht in meinem Bücherregal. Mir ist es nach wie vor ein Rätsel, warum auf dieser Mug (Kaffeebecher)  das Hansa  Kreuz blau ausgemalt ist. Die „Fulda Express“ wechselte noch zweimal den Namen und den Besitzer, 2008 wurde das schöne Schiff in Alang/Indien abgebrochen.