Rattanwahn und andere Verrücktheiten
Auch Seeleute sind nicht vor Modetrends und ihren Auswirkungen gefeit. Bedauerlicherweise ebbte nach monatelanger Einfuhr der Steuerradimitationen aus Taiwan das Interesse auf der heimatlichen Insel merklich ab. So beschränkten sich die Bestellungen vor einer Ostasienreise kurzzeitig auf ziemlich ausgefallene Dinge. Furore machten so zum Beispiel Elefanten aus Porzellan. Wobei man den Gedanken an zierliche Figuren für das Sideboard oder die Kommode besser gleich zur Seite schiebt. Diese Exemplare mit ihren stattlichen Maßen von 55 x 45 cm waren im Sockel massiv und dementsprechend schwer. Zu allem Überfluss konnte man die Schwergewichte, warum auch immer, nur im Pärchen erstehen. Mit meinem alten Freund Peter Saß entdeckten wir die ersten, aus Vietnam importierten Exemplare in einem Geschäft in Bankok. Das Gewicht des Paares und die kakelbunte Bemalung hielten mich damals von einem Kauf ab. Schon während der Heimreise habe ich diesen Nichtkauf mehr als bedauert Die einfarbige Ausführung wäre mit Sicherheit ein Verkaufsschlager in der Heimat geworden. Besonders ärgerlich wurde die Angelegenheit, als auf den Reisen Thailand nicht mehr angelaufen wurde. Der Versuch über eine diplomatische Vertretung in Bonn an Händleranschriften zu gelangen war nicht von Erfolg gekrönt, weil Vietnam keine Botschaft in der BRD zur damaligen Zeit unterhielt. Wenn ich mich recht erinnere, wurden die Interessen der Asiaten durch die holländische oder französische Vertretung gewahrt, die mir eine wenig fruchtbare Adresse eines Rucksackhändlers vermittelten. Der hilfsbereite vietnamesische Kellner verhökerte in seiner Wohnung in Düsseldorf alle möglichen Mitbringsel aus seinem Heimatland und die angebotenen Elefanten waren ausgesprochen hässlich und etliche Nummern zu klein.
Wenig hilfsbereit war auch die Hapag-Lloyd Vertreter der Agentur in Bankok. Eine Anfrage blieb bis heute unbeantwortet.
Doch aufgegeben habe ich nie. Die Hartnäckigkeit hat sich letztlich ausgezahlt. In Hongkong, in einem Häuserblock mit Dutzenden von Geschäften, entdeckte ich den „Elephant-shop“. In einer Ecke dieses ganz speziellen Ladens entdeckte ich unter dutzenden von Ausführungen dieser Rüsseltiere die gesuchte vietnamesische Variante. In zwei aufeinander folgenden Reisen habe ich den gesamten Bestand aufgekauft. Wobei sich der Abtransport mehr als schwierig erwies. Zumal der Laden in der dritten Etage des mehrstöckigen Geschäftsgebäudes lag. Schließlich parkte mein Lastentaxi auf der als Parkplatz umfunktionierten Dachterrasse des Gebäudes und ich habe meine Elefantenherde Stück für Stück mit dem Fahrstuhl in die oberste Etage geschafft. Die halbstündige Fahrt zu dem Containerterminal unseres Schiffes habe ich hockend und schwitzend auf der Ladefläche verbracht, um bei jeder scharfen Kurve und jedem Schlagloch einen Dominoeffekt zu verhindern. Geld war bei dieser aufwendigen Geschichte ganz sicher nicht zu verdienen. Doch die Aufgabe selber war Lohn und Anreiz genug.
Nach dem Ausverkauf der Elefanten kam mir der Rattanwahn wie gerufen. Der Modetrend „Rattan“ machte natürlich auch vor den Seeleuten nicht halt. Zumal die Ostasienfahrer in Indonesien, den Philippinen und Thailand aus dem Vollen schöpfen konnten. In Bangkok gab es mehrere Straßenzüge mit Geschäften, die ausschließlich Möbel aus Rattan im Angebot hatten. Wobei auch hier der Transport zum Schiff das größte Problem darstellte. Bei mehr als zwei Schränken, einem Schaukelstuhl oder einem Papa-chair, einer Halbkugel mit einem Durchmesser von zwei Metern, Hockerunterkonstruktion und Sitzkissen waren die Fahrradrikschas völlig überladen. Wobei sie immer noch bei dem permanenten Verkehrstaus die schnellsten und bequemsten Fortbewegungsmittel waren. So haben wir häufig diese Tour zwei oder dreimal mit dem Rikscha gemacht, um ja nicht auf eines der Taxen angewiesen zu sein. In der Vergangenheit hatten wir in Bankok diesbezüglich schlechte Erfahrungen gemacht. Peter wurde einmal mit einem Baseballschläger bedroht, als er den vorher ausgehandelten Preis plus Aufschlag nicht bezahlen wollte. Mir ging es auf einer anderen Heimfahrt nicht viel besser. Meine standhafte Weigerung den Erpressungsversuchen des Taxifahrers nachzugeben, brachte mich und meine umfangreichen Einkäufe nicht an das gewünschte Ziel, ich landete auf einer Polizeistation. Die Polizisten konnten meiner Argumentation nur beipflichten und schickten den aufgebrachten Taxifahrer ohne Bezahlung weg. Meine Genugtuung hielt sich aber in Grenzen, da ich den Weg Polizeistation –Schiff mehrmals schwer beladen zu Fuß bewältigen musste.
In Bangkok besuchten wir auf unsern Einkaufstouren auch den berühmten Floating market. Wobei die vielen europäischen Touristen mit der Zeit unbewusst Einfluss auf die Angebotspalette nahmen. Außer einigen Tütchen mit Gewürzen für die thailändische Küche kauften wir nichts. Wir kauften auch nicht einen der vielen hundert Aschenbecher in Schornsteinform mit den Hapag-Lloyd Farben. Wenn ich mich recht erinnerte, hatte unser Kapitän bei Ankunft in diesem schönen Hafen dem Agenten feierlich ein solch schönes Werbegeschenk überreicht. Der Asiat hatte bei seinem Dankeschön keine Miene verzogen.
Das indonesische Surabaya war für die Liebhaber von Rattan der absolute Höhepunkt. In einer Fabrik wurden ganze Zimmereinrichtungen geordert bzw. abgeholt. Ich habe mich auf die beliebten Stapelhocker beschränkt. Peter wiederum vertraute in Sachen Rattan und Bambus mehr den Philippinos. Unvergessen sein Großauftrag in Manila. Das in Auftrag gegebene Doppelbett aus Bambus sollte das Schmuckstück seiner Altbauwohnung in Hamburg werden. Die vorgegebenen Maße, bezüglich Länge und Breite, wurden auch buchstabengetreu eingehalten. Trotzdem blieb uns bei der Anlieferung der Ruhestätte die Luft weg. Statt eines zierlichen Möbelstücks wurde eine sehr plumpe Ausführung geliefert. Niemand an Bord hätte auch je in Erwägung gezogen, dass es Bambus mit einem so gewaltigen Durchmesser gibt. Aufgestellt wirkte diese Lagerstätte wie eine Abschussrampe für Raketen. Selbst für übergewichtige Menschen war die Ausführung einige Nummern zu groß geraten. Ich habe mein Gelächter später teuer bezahlt. Im Hamburger Gästezimmer der Familie Saß gab es ein Wiedersehen mit der Lafette. Die Nacht war grausam und die Ruhephase kurz.
Leider haben wir während der Indonesienfahrt vergeblich versucht eine Fahrradrikscha zu erstehen. Dabei haben uns die Dumpingpreise zu einem Kauf von Fahrrädern verführt. Der erste größere Radausflug in Padang auf Sumatra endete mit einem absoluten Fiasko. Nach den ersten Kilometern im Innenstadtbereich hatten wir den ersten Plattfuß zu beklagen. Unter den vielen Gaffern waren dann Gott sei Dank auch ein paar helfende Hände. Die asiatischen Fahrräder sind aber anscheinend nicht einmal auf europäische Mittelgewichte geeicht. Am Stadtrand knickte eine Pedale meines Fahrrades ab. Der anschließende schweißtreibende Heimweg hat mich in meinem Entschluss bestärkt diesen Fehlkauf mit herbem Verlust wieder abzustoßen.
Großeinkäufe wurden immer wieder, wenn es denn die Liegezeit erlaubte, in Singapore getätigt. Die Change-Alley war die bekannteste Anlaufstation für gefälschte Markenartikel im Textilbereich. Wobei die Qualität der T-Shirts und Hemden mit dem aufgenähten Krokodil kaum den Originalen nachstand. Meine Frau geriet in einen regelrechten Kaufrausch und türmte Berge von T-Shirts in allen möglichen Farben auf dem Verkaufstresen. Anschließend war sie empört und entsetzt, als ich den Deal wegen des Preises ablehnte. Die Beruhigung trat auch erst wieder ein, als ein anderer Händler unsere bzw. meine Preisvorstellung akzeptierte und wir die Massen davon schleppten.
Trotz eines hohen Lebensstandards und des hohen Preisniveaus konnte unsere Schnäppchenjagd selbst in Japan nicht Einhalt geboten werden. Unsern nächsten Importschlager entdeckten wir in der Gartenabteilung eines großen Kaufhauses in Tokios Einkaufsstraße, der Ginza. Jedoch nach der Einfuhr der ersten drei bis vier Dutzend Bonsais verebbte die Nachfrage abrupt. Die zarten Gewächse vertrugen entweder das raue Nordseeklima oder die Pflege der Hobbyzüchter nicht. Eingestanden hat es kaum einer, dass die Minibäumchen auf dem Kompost gelandet waren. Ich selber habe diesen Einkäufen nicht eine Träne nachgeweint, waren sie Ursache für eine auf der Heimreise im Indischen Ozean auftretende Mückenplage in meiner Kammer. Wobei es einige Tage dauerte, bis ich zufällig feststellte, dass diese Plagegeister aus dem Erdreich der Bonsaischalen schlüpften.
Bei dem Einkauf von Kokeshi- Puppen haben wir uns auf den Eigenbedarf beschränkt. Diese arm- und beinlosen Holzpuppen wurden in früheren Zeiten von Reisbauern in den langen Wintermonaten geschnitzt und bemalt. Heute findet man die unterschiedlichsten Ausführungen in jedem Souvenirshop. Diese Andenken haben uns auch nicht sonderlich angesprochen. Die Herkunft unserer erstandenen Kokeshis haben wir an Bord nie verraten. Wobei ich heute sicher bin, dass wir unsere Geheimniskrämerei ruhig hätten aufgeben können. Dieses winzige Atelier unter der Station einer U-Bahn hätte ohnehin niemand gefunden. Die aus Hartriegel, Birnbaum oder Kirsche hergestellten kleinen Kunstwerke werden mit zunehmendem Alter immer schöner. Vielleicht bilde ich es mir auch nur ein, dass sich die Holzstrukturen verfeinert haben und die Farben lebhafter und leuchtend glänzend geworden sind. Ohne Frage sind sie aber eine Erinnerung an viele unvergessene Reisen in das Land der aufgehenden Sonne.
Wobei ich mich bei dieser speziellen Liebe, ganz gegen meine sonstigen Gepflogenheiten, gerne einem japanischen Aberglauben unterwerfen möchte. Den Fudschijama habe ich bei jedem Abschied in Yokohama oder Shimizu auf der Heimreise gegrüßt. Demnach sollte es nicht mein letzter Besuch gewesen sein. Vielleicht setzen meine Frau und ich diesen Traum ja noch einmal in die Tat um und reisen zur Kirschblütenzeit an diesen Fleck der Erde zurück. Möglich, dass wir unter einer U-Bahnunterführung in Tokio bei dem Sohn oder Enkel des damaligen Künstlers eine der wunderschönen Kokeshi- Puppe erstehen…